Forum: Ernährung - Start und Ende: Paleo
Hallo Aldo,
"Nur soll Paläo nicht die gesündeste Ernährung für den Steini sein und auch das Leben verlängern? "
mir wäre jetzt nicht bewusst, dass "Steini" besonders langlebig gewesen wäre. Nach 30 bis 40 Jahren war i.d.R. Schluss. Und so lange kann der Körper noch einiges an "Paläo Ernährung" tolerieren und kompensieren; lange genug, um einigen Nachwuchs in die Welt zu setzen.
Wenn man ma schaut, wann der Großteil unserer Zivilisationskrankheiten tatsächlich zuschlägt, geht es den meisten Mitmenschen bis 40 noch vergleichsweise gut; was nicht bedeutet, dass sie auch 100% gesund und Leistungsfähig wären. Herzkreislauf Erkrankungen, Krebs, Demenz, DT2, alles Erkrankungen, die sich besonders im fortgeschrittenen Alter entwickeln und auswirken. Steini ist da schon weggestorben, eher er das überhaupt richtig merken konnte.
Da stellt sich mir in der Tat die Frage, ob "Paläo" tatsächlich so überragende Gesundheit verspricht. Ganz abgesehen davon, dass nahezu nichts von dem, was wir heute als Paläo bezeichnen und essen damals schon existiert hat. Alles, was wir z.B. an Gemüse und anderen Pflanzen zu uns nehmen, sind mittlerweile kutivierte und weiter gezüchtete Pflanzen. Unser ach so gesunder Brokoli z.B. hat mit der Urpflanze von vor 10.000-100.000 Jahre oder älter kaum noch was gemeinsam. Das muss nicht schlecht sein. Im Gegenteil kann man Antinährstoffe auch herauszüchten. Bei Getreide und Wildgräsern kann es umgekehrt sein. Da wird zugunsten des Ertrags und der Fluffigkeit von Backwaren mehr Gluten hinein gezüchtet; mit den bekannten auswirkungen.
Das Ganze dann mit einer falsch verstandenen Steinzeit-Verklärtheit als ursprüngliche Paläo-Ernährung bezeichnen zu wollen, erscheint mir nicht angebracht; und auch nicht wirklich ursprünglich genetisch korrekt. Vielleicht sollte man den Fokus, unabhängig von irgendwelchen Ernährungsdogmen, darauf lenken, dass der Körper in der Hauptsache seine Mikro- und Makronährstoffe und sonstige Vitalstoffe bekommt und nicht chronisch energieüberfrachtet wird (=> metabolisches Syndrom).
Robert hat neulich in einem anderen Thread das Thema Genpolimorphismen angesprochen. Enzymaktivität und Wirkung kann bei jedem sehr unterschiedlich ausfallen, bis hin zu ausgemachten Stoffwechseltypen. So gesehen erscheinen mir allgemeingültige Patentrezepte, vor allem, wenn ihnen ein Absolutheitsanspruch /OSFA zugeschrieben wird, fehl am Platz. Den Meisten Menschen wäre wohl schon deutlich geholfen, wenn sie einfach das anerkannt Falsche weglassen oder reduzieren würden (Schwermetalle, Gluten, Nikotin, Alkohol, Industrie-Fertig-Fraß), ohne sich darauf versteifen zu wollen unbedingt alles richtig machen zu müssen und bestimmten (einzelnen) Blutwerten hinterherzurennen.
Mehr Körpergefühl.
Das Raubtier Mensch muss auch nicht ständig "auf dem Sprung" sein, wie z.B. Fluchttiere wie das Reh. Das Reh muss ständig fluchtbereit sein und darf nur soviel fressen, dass es eben nicht träge wird. Der Löwe kann sich nach einem üppigen Mal auch mal ein Stündchen faul unter einen Baum legen und die Welt Welt sein lassen. Nur noch so ein Gedanke...
LG
Thorsten
Thomas,
bin hier deiner Meinung. Ich finde es nur verwirrend, wenn man solche Dinge liest speziell über Fleisch. Es gibt, die genau das Gegenteil der Paläoernährung ala die optimale Ernährung beschreiben. Und alle berufen sich auf Studien. So viele Meinungen... vielleicht braucht jeder Stoffwechsel seine eigene Ernährung.
Thorsten, das ist ein interessanter Gedankengang, der tatsächlich Sinn machen würde. Nur soll Paläo nicht die gesündeste Ernährung für den Steini sein und auch das Leben verlängern? Ich denke da zB an HGH, das ja verjüngend wirkt und speziell auf low carb ausgeschüttet wird.
Man kann ja auch einfach mal überlegen, was Evolution im eigentlichen Sinne bedeutet.
Vermehrung & Arterhaltung.
Dazu ist eine Lebenserwartung über die Geschlechtsreife und die Erziehungsjahre bis zur Selbständigkeit des Nachwuchs hinaus nicht erforderlich. Nach dieser Zeitspane bietet ein deutlich längeres, gesundes Leben kaum einen wirklichen evolutionären Vorteil.
Paläo muss also nicht unbedingt besonders Gesund sein (=> Pflanzengifte gegen Fraßfeinde). Es muss den Oragnismuss gut und problemlos bis zur Geschlechtsreife bringen. Wird die Hege des Nachwuchs dann auch noch von den Weibchen bestritten, gibt es gerade für die Männchen keine zwingende Notwendigkeit auf ein längeres, gesundes und fitales Weiterleben. Ein durchaus im Tierreich praktiziertes Prinzip.
Nicht alles was, was vielleicht "Paläo" ist, muss damit auch automatisch besonders gesund sein.
Nur mal so ein Gedanke...
Thomas, soll das heißen, Getreide ist gut bzw. hat der Steini schon in bestimmter Form gehabt?
Nein Aldo, das soll es nicht heißen. Ist heisst lediglich, dass auch der Steini schon getreideartige Pflanzen gegessen hat und an Stärke adaptiert war.
Aus der Sicht Dr. Mutters, ist diese Aussage nachvollziehbar. Das Arbeitsgebiet Dr Mutters ist Schwermetallbelastung und deren Ausleitung. Bei Fisch würde ich noch mitgehen, aber bei gezüchteten Tieren fällt mir das schwer.
tierisches Eiweiß Insulin erhöht
Tierisches Eiweiß ist derat hochwertig, dass es eine Insulinreaktion auslöst. Das heißt aber nicht, dass der Verzehr tierischen Eiweißes ein dauerhaft erhöhtes Basal Insulin zur Folge hat.
Milchprodukte können das Rinderwachstumshormon enthalten
Nicht können es enthalten, sie enthalten wachstumshormone. Schließlich soll das Kalb wachsen.
Tierische Produkte sollen auch Stickstoff, Ammoniak und Schwefelsäure mit sich bringen.
Tierische Produkte produzieren, wie jede andere eiweißhaltige Nahrungsquelle im Abbau Ammoniak. Über Schwefelsäure und Stickstoff ist mir nichts bekannt.
Zum Abbau des Ammoniak benötigt der Körper die Aminosäure Ornithin.
Zudem schreibt Dr. Mutter, Blattgemüse liefert auch genügend Eiweiß.
Es gibt zwar eiweißhaltige pflanzliche Lebensmittel, wie z.b Hülsenfrüchte, die verhältnismäßig viel Eiweiß enthalten. Blattgemüse wird eher weniger Eiweiß enthalten. Hinzu kommt, dass die Bioverfügbarkeit des pflanzlichen Eiweißes deutlich schlechter ist als die des tierischen. Dementsprechend muss man deutlich mehr pflanzliches Eiweiß zu sich nehmen.
Hallo zusammen,
Thomas, soll das heißen, Getreide ist gut bzw. hat der Steini schon in bestimmter Form gehabt?
Hab eine Frage, da das etwas verwirrend ist. Wenn man auf low carb/Keto ist, wird man zwangsläufig mehr auf Fleisch zurückgreifen. Dr Mutter schreibt aber, 90% der Ernährung sollten pflanzlichen Ursprungs sein. Er führt das auf das Ende der Nahrungskette zurück (Potenzierung der Schadstoffe) und bezieht sich auf die Studie von Esselstyne 1985. Außerdem schreibt er dass tierisches Eiweiß Insulin erhöht, Milchprodukte können das Rinderwachstumshormon enthalten. Tierische Produkte sollen auch Stickstoff, Ammoniak und Schwefelsäure mit sich bringen. Ist Fleisch vielleicht doch nicht so gesund?
Zudem schreibt Dr. Mutter, Blattgemüse liefert auch genügend Eiweiß. Wie kann das sein? Gemüse hat doch immer nur ein paar wenige Gramm Protein?!
Ja Thomas, offenbar gilt gerade bei Paläo: "Paläo is, what you think it is". Und so belügt sich jeder ganz nach eigenem Geschmack. Aber:
- Wir sind keine Steinis oder Schimpansen; nicht mal mehr Neandertaler
- Unsere modernen Feldfrüchte haben auch kaum noch was mit denen von "damals" zu tun.
Thorsten, schöner Link zu Urgeschmack! Allmählich zerlegt sich das Paleo-märchen. Was bleibt ist...Hochverarbeitetes, Zucker und Weißmehl meiden. Alles andere in gesunder Mischung/Zyklen. Leere Carbs meiden...und damit meine ich nur das Aufgezählten. Kartoffeln, Hülsenfrüchte zähle ich nicht zu den leeren Carbs!
Wenn sie Massai sich ursprünglich, Paleo ernähren, würde sogar Milchprodukte paleofähig sein, denn die Massai trinken auch die Milch ihrer Tiere.
Kaffee wird auch gern verunglimpft. Aber indigene Völker nahmen auch schon immer Drogen. Im brasilianischen Regenwald ist Koka sehr beliebt. Die Haszda sollen sogar Joints rauchen.
Uliginosa, ich bin kein Botaniker und weiss auch nicht, wie unsere Vegetation zu Zeiten der Neandertaler aussah. Studien, die den Zahnstein der NeandertalerGebisse untersuchten, fanden eindeutige Hinweise darauf, dass auch diese Menschen schon an Kohlenhydrate, Stärke adaptiert waren, sie also gegessen haben mussten.
Auch bei uns gibt es doch viele Wurzelgemüse, deren Wildformen damals sicher auch schon existierten. Sich heutige Wälder anzusehen und sich dann Gedanken zu machen, was man ausser Fleisch essen könnte, ist aus einem einzigen Grund nicht zielführend: es sind keine Natur/Urwälder, sondern Baumplantagen. Genauso wie ein Getreidefeld keine Wiese ist. Gerade der Harz besteht fast nur aus ortsfremden Nadelhölzern, das hat mit einem Wald nicht viel zu tun. Sieht man auch jetzt an der Klimaänderung, etwas wärmer, etwas trockener, ein Sturm und der Wald ist platt. Das passiert einem natürlich gewachsenen Wald nicht.
Hatte ich zwar schon mal gepostet, aber einfach mal lesen:
https://www.spektrum.de/news/palaeodiaet-was-die-neandertaler-wirklich-assen/2032417
Die Hypothese von den ausschließlich Fleisch essenden Neandertalern ist nur sehr schwer aus der Welt zu schaffen«, sagt die Archäologin Amanda Henry, Assistenzprofessorin an der niederländischen Universität Leiden. »Sie hat fast etwas Vampirhaftes – in dem Sinn, dass sie immer wieder von den Toten aufersteht.« Aber dorthin, ins Reich der lange schon beerdigten Hypothesen, gehöre sie längst, fordert Henry.
- Innerhalb der Gattung Homo, inklusive eines 100 000 Jahre alten Neandertalers, spielen durchgängig dieselben zehn Bakterienarten die Hauptrollen in der Mundhöhle. Die Besiedlung, das orale Mikrobiom, unterscheidet sich in der Homo-Linie grundlegend von derjenigen etwa bei Schimpansen.
- Die Ähnlichkeit des Mikrobioms von Neandertaler und modernem Menschen geht so weit, dass auf den Zähnen beider Menschenformen die DNA derselben speziellen amylasebindenden Streptokokken zu finden ist. Das sind Bakterien, die besonders gut pflanzliche Stärke verdauen können.
- Das zeigt: Nicht nur anatomisch moderne Menschen, sondern bereits Neandertaler und vermutlich schon deren Vorläufer haben offensichtlich viel pflanzliche Stärke zu sich genommen. So viel, dass in ihren Mundhöhlen seit mehr als 100 000 Jahren eine an stärkehaltige Nahrung angepasste Mundflora entstand.
Wie die untersuchten Zahnsteinproben zeigten, war es egal, wo die betreffenden Neandertaler gelebt hatten; überall stand ein ähnlicher Anteil an kohlenhydratreichen Pflanzen auf ihrem Speisezettel.
Nach aktuellem Kenntnisstand reichte die Bandbreite ihrer Pflanzenkost von Datteln in Westasien, nachgewiesen an der Fundstelle Shanidar im Nordirak, bis zu vier häufig genutzten Pflanzenfamilien mit sehr stärkehaltigen Samen, Rhizomen (Sprossachsen) oder Zwiebeln in Europa. Dazu gehörten Süßgräser (Triticeae), also Wildgetreide, zu denen auch die Vorläufer von Weizen und Roggen gerechnet werden. Ferner aßen die Frühmenschen Hülsenfrüchtler (Fabaceae), etwa die Wildformen von Bohne, Erbse und Linse. Ebenso gab es Liliengewächse (Liliaceae), zu denen beispielsweise Taglilie und Türkenbund zählen, und Seerosengewächse (Nympheaceae), bei denen es sich in erster Linie um die Samen von Teich- und Seerose handelte.
Weitere interessante Aspekt und Gedanken finden sich hier:
https://www.urgeschmack.de/illusion-steinzeiternahrung/
Paläo ist eben oftmals nicht das, was viele dafür halten...
LG
Thorsten
Stimmt, die Inuit und die Massai, letztere in den Tropen, werden immer genannt, wenn es um überwiegend tierische Ernährung geht.
Aber nenne mir doch mal eine einzige ergiebige Stärkequelle, die natürlich in Europa, Eurasien in den mittleren bis nördlichen Breiten vorkommt? Was für Stärke haben die Neanderthaler oder H. sapiens sapiens vor 30 000 Jahren in Mittel- und Nordeuropa gegessen?