Das Post-Pill-Syndrom
Die Antibaby-Pille war sowohl in West- als auch in Ostdeutschland ab Mitte der 1960er Jahre erhältlich. Trotz anfänglicher Widerstände in breiten Kreisen der Gesellschaft setzte sie sich als Verhütungsmittel durch und ermöglichte den Frauen das erste Mal wirkliche Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit. Die Pille wurde seinerzeit und auch heute noch als medizinische Sensation bezeichnet.
Doch schon nach einigen Jahren wich die anfänglich uneingeschränkte Begeisterung vieler Frauen. Anfang der 1970er Jahren beschäftigen sich die ersten Wissenschaftler intensiv mit einer recht häufigen Nebenwirkung des Medikaments: Dem Post-Pill-Syndrom. Denn bei vielen Frauen kam es nach dem Absetzen der Pille für einen längeren Zeitraum entweder zu keinem oder zu einem störanfälligen Zyklus.
Fast 55 Jahre später existiert das Problem nach wie vor. Oft fangen junge Mädchen heutzutage bereits mit 13 oder 14 Jahren mit der Pille an (oft wegen Akne oder Menstruationsbeschwerden) und nehmen diese dann nicht selten 20 Jahre ohne Unterbrechung durch. Wenn sich dann der Kinderwunsch meldet, merken viele Frauen, dass die Pille jahrelang massiv in die Hormonregulation des Körpers eingegriffen hat. Je länger die Pille genommen wird, desto häufiger tritt das Post-Pill-Syndrom auf.
Die Eierstöcke und die Gebärmutter wurden über Jahre in Ruhestand geschickt, ohne dass sie vorher bereits wirklich zu Hochleistung aufgefahren sind, also dass es zu regelmäßigen Zyklen oder gar einer Schwangerschaft gekommen ist. Wenn die Menarche (erste Periode) einsetzt, sind viele Mädchen hierzulande durchschnittlich 12 Jahre alt. Wenn dann mit 13 oder 14 Jahren die Pille verordnet wird, hatten die Eierstöcke kaum die Möglichkeit sich an die neue hormonelle Situation anzupassen.
Durch das Chemiecocktail der Antibabypille wird der Körper in einen unnatürlichen Zustand versetzt. Die normalerweise monatlich stattfinde Eizellreifung mit Eisprung wird ausgeschaltet. Über Jahre. Über Jahrzehnte. Und wenn der Kinderwunsch einsetzt, soll der Körper wieder ganz normal funktionieren. Obwohl er es nie wirklich gelernt hat.
Das plötzliche Absetzen der Pille bringt den Körper erst einmal aus der Fassung. Zu Recht. Er reagiert mit:
- Unregelmäßiger oder ausbleibender Zyklus
- Menstruationsschmerzen und starke Blutungen
- Hautprobleme, insbesondere Akne
- Gewichtsprobleme
- Schilddrüsenprobleme
- Ängste und Depressionen
Die meisten rechnen damit, dass der Körper sofort wieder in den „Normalbetrieb“ übergeht. Das tut er leider häufig nicht. Es ist ihm auch nicht zu verdenken nach jahrelangem Teil-Ruhestand.
Der Körper muss die Produktion und Regulation der eigenen Hormone wieder aufnehmen, was zu einem vorübergehenden Ungleichgewicht führen kann.
Das weibliche Hormonsystem ist ein weit verzweigtes Netzwerk zwischen Gehirn (Hirnanhangsdrüse), Nebennieren, der Schilddrüse und den Eierstöcken. Die Kommunikationswege müssen nach Jahren der Funkstille erst einmal wiederhergestellt werden. Schwierig, wenn diese Organe, vor allem die Schilddrüse (Jodmangel!), nicht mehr gesund sind, wie bei so vielen Frauen. Und dieser Prozess kann dauern. Oft Monate. Manchmal kommt kein normaler Zyklus mehr zustande.
Ein erster Schritt wäre, die hormonproduzierenden Organe bestmöglich zu unterstützen, indem die wichtigsten Bau-,Hilfs- und Betriebsstoffe bereit gestellt werden:
Jod: Ist essentiell für Gehirn, Schilddrüse, Eierstöcke und Nebenniere. Es ist der universelle Hormon-Mikronährstoff. In der Regel besteht Jodmangel in der deutschen Bevölkerung, vor allem bei Frauen und Kindern.
B-Vitamine: Die Pille ist bekanntermaßen ein B-Vitamin-Räuber. Insbesondere führt sie regelmäßig zu einem Vitamin B6-Mangel. Vitamin B6 ist unverzichtbar für die Produktion aller Hormone und Neurotransmitter, insbesondere für das Progesteron (Gelbkörperhormon).
Vitamin D: Das Vitamin-Hormon unterstützt die Hormonproduktion und kann bei Störungen der Eizellreifung, wie dem Polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS), unterstützend wirken.
Zink: Das Spurenelement ist wichtig für die Produktion von Sexualhormonen, vor allem von Östrogen, und somit auch für den Eisprung.
Omega-3-Fettsäuren: Omega 3-Fettsäuren dürfen ebenfalls nicht fehlen, wenn das Post-Pill-Syndrom überwunden werden soll. Sie helfen mit bei der Wiederherstellung der Kommunikation innerhalb des Hormonnetzwerkes.
Es versteht sich von selbst, dass ich hier keine Mengenangaben schreiben kann. Auch beim Post-Pill-Syndrom gilt wie immer: Besser messen, als raten. Und dann erst gezielt therapieren.
Quellen:
Kyra und Sascha Kauffmann: Eltern werden 40+: So gelingt eine späte Schwangerschaft: Ein naturheilkundliches Selbsthilfeprogramm für Frauen und Männer, VAK Verlag Kirchzarten 2020
Reyniak JV. The Post-Pill Syndrome. Hosp Top. 1970 Nov;48(11):69-71. doi: 10.1080/00185868.1970.9954033. PMID: 28136176.
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.