Ende der 1930 Jahre war klar, dass Vitamin B3-Mangel der Auslöser für die vermeintliche Infektionskrankheit „Pellagra“ war und dass durch die hochdosierte Gabe dieses wasserlöslichen Vitamins nicht nur die damit einhergehenden furchtbaren Hautentzündungen, sondern auch schwere Psychosen und beginnende Demenz wieder verschwanden. Dies war auch die Geburtsstunde der „Orthomolekularen Psychiatrie“, ein Zusammenschluss engagierter Psychiater, die sich zum Ziel gesetzt hatte, psychiatrische Erkrankungen mit Mikronährstoffen zu behandeln. Viel mehr Behandlungsmethoden standen zu der damaligen Zeit auch nicht zur Verfügung. In den 1940er Jahren gab es noch keine Antipsychotika im heutigen Sinne. Erst in den 1950er Jahren wurde mit Chlorpromazin das erste wirksame Antipsychotikum entwickelt, das zur Linderung von Wahnvorstellungen eingesetzt wurde.

Die führenden Ärzte dieser neuen Bewegung waren


  • Humphry Osmond
  • Carl Pfeiffer

  • und

  • Abram Hoffer

Osmond wurde später allgemein bekannt durch seine Experimente mit LSD; Carl Pfeiffer widmete sich intensiv der Erforschung der Kryptopyrrolurie, eine familiär gehäuft auftretende Form von Vitamin-B6 und Zink-Mangel.

Abram Hoffer widmete sich ab 1950 vor allem der Erforschung von Vitamin B3 (Niacin) und seinem Einfluss auf psychische Erkrankungen.

Die „Orthomolekulare Psychiatrie“ hat in Europa nie wirklich Fuß gefasst.

Wir wissen heute, dass ein Vitamin B3-Mangel auch schwere psychiatrische Symptome auslösen kann. Dies hat auch mit seiner engen Verbindung zum Tryptophan zu tun.

Denn Vitamin B3 (Niacin) ist anders als andere Vitamine der B-Gruppe: Der Körper kann es aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan selbst herstellen. Und das macht er vor allem dann, wenn Vitamin B3 in größeren Mengen benötigt wird: Bei Stress, Entzündungen und Erkrankungen. Denn Niacin wird vor allem dann gebraucht, wenn viel Energie, z. B. für die Immunabwehr oder für Heilungsprozesse, gebraucht wird.

In vielen Erkrankungs- und Stresssituationen wird über 90% des über die Nahrung zur Verfügung gestellten Tryptophans in Niacin bzw. NAD, umgewandelt. Dies erfolgt unter Verbrauch von Vitamin B6. Dieser Prozess wird auch „Kynurenin-Quinolinsäure-Weg“ genannt.


Kurz dargestellt:
Tryptophan + Vitamin B6 = Niacin (NAD)


60 mg Tryptophan können auf diesem Wege 1 mg Niacin bereitstellen.

In Fällen, in denen dieser Stoffwechselweg längerfristig aktiviert ist (chronische Erkrankungen!, chronischer Stress!), bleibt oft nicht mehr viel Tryptophan übrig für die Serotoninsynthese bzw. für unser Glücklichsein. Es zeigen sich dann Schlafstörungen, Ängste und Depressionen. Eine ganz bio-logische Folge.

Der Körper kann einen Vitamin B3-Mangel so lange gut kompensieren, solange durch eine proteinreiche Nahrung ausreichend Tryptophan zur Verfügung gestellt wird. Problematisch wird es, wenn ein Vitamin B3-Mangel und zusätzlich auch noch ein Tryptophanmangel bestehen. Dann kommt es zum Vollbild der Pellagra (siehe News vom 16.12.2023). Ein auch heute zutage vorkommendes Krankheitsbild, das oft nicht erkannt wird.

Dr. Abram Hoffer kannte die Biochemie hinter seinen Überlegungen nicht; er beobachtete und handelte. Er bemerkte, dass hohe Gaben an Vitamin B3 vielen seiner Patienten mit Depressionen und sogar Schizophrenien half. Und heilte vieler seiner Patienten nachhaltig. Heute wissen wir warum.

Quelle:

Savitz J. The kynurenine pathway: a finger in every pie. Mol Psychiatry. 2020 Jan;25(1):131-147. doi: 10.1038/s41380-019-0414-4. Epub 2019 Apr 12. PMID: 30980044; PMCID: PMC6790159.

Badawy AA. Kynurenine Pathway of Tryptophan Metabolism: Regulatory and Functional Aspects. Int J Tryptophan Res. 2017 Mar 15;10:1178646917691938. doi: 10.1177/1178646917691938. PMID: 28469468; PMCID: PMC5398323.

Badawy AA. Kynurenine Pathway of Tryptophan Metabolism: Regulatory and Functional Aspects. Int J Tryptophan Res. 2017 Mar 15;10:1178646917691938. doi: 10.1177/1178646917691938. PMID: 28469468; PMCID: PMC5398323.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.