Die Kunst des Gehens
ist eine Frage des Körpergefühles. Das hat der normale, der Durchschnittsmensch nicht. Weshalb auch? Mit seinem Körper beschäftigt er sich nur am Rande. Das hat aber ein Läufer. Wer täglich läuft, bekommt automatisch Rückmeldungen von Muskulatur, von Bändern, vom Knochen, von seinen Organen. Er wird zunehmend körperbewusst.
Ohne Körperbewusstsein, wie ich heute weiß, ist die Ausübung des ärztlichen Berufes nicht möglich. Habe ich die ersten 45 Jahre übersehen. Auch hierfür schäme ich mich heute.
Wer läuft, geht auch anders. Bewusster. Elastischer. Er federt etwas mehr. Er geht aufrechter. Nimmt etwas mehr die Schultern zurück, den Kopf nach oben.
Wissen Sie, wer das nicht kann? Wem man das böse anrechnet? Wem man - vielleicht deshalb - abwählen wird aus seinem Amt? Dem französischen Präsidenten Sarkozy. Der sich als Macher präsentieren wollte, was sich sehr deutlich in seiner Körpersprache ausdrückt. Nur – Frankreich denkt hier ein bisschen anders, ein bisschen sensibler:
Vor einem Jahr hatte eine Umfrage erkundet, was die Franzosen im Alltag am meisten nervt. Weit vor dem Nahverkehr, dem Lärm oder der Zeitnot rangierte das "mangelnde Benehmen" - ein Ausdruck dafür, dass in Krisenzeiten das Sozialverhalten rüder wird. Mit diesem Mangel wird Sarkozy identifiziert. "Allein schon wie er geht!", seufzte kürzlich ein prominenter Sarkozyst. "Früher mussten die Prinzen Unterricht darin nehmen, wie man langsam schreitet – Sarkozy könnte das auch gebrauchen".
Vor Jahren hatte ich Ihnen darüber an dieser Stelle berichtet. Da war ich soeben durch die Hauptstraße meines Städtchens...geschritten. Und war entsetzt über den Gang vieler meiner Mitmenschen. Es gibt nun einmal das "Trampeln" oder aber das "königliche Schreiten".
Läufer können Schreiten. Die können im Stehen auf den Zehenspitzen federn und dann...losschreiten. Aufrecht. Königlich.
Falls Sie Läufer sind - sind Sie bitte stolz. Und zeigen Sie das auch. Am Gang.