Seit einigen Wochen fliegen sie wieder mal mehr und mal weniger intensiv - die Pollen.

Spätestens ab März beginnt die Hochzeit für Apotheken, denn dann, mit Beginn der fliegenden Hasel- und Erlen-Pollen, steigt sprunghaft der Umsatz an Antihistaminika. Die allermeisten Präparate sind mittlerweile so genannte OTC-Präparate, also, over-the-counter, d.h. rezeptfrei erhältlich. Nasensprays, Augentropfen und Tabletten gegen Allergien werden immer häufiger eingenommen. Das belegen die Umsatzzahlen deutscher Apotheken: Zwischen 2017 und 2021 stieg der Umsatz an Antihistaminika um rund 9% auf 247 Millionen Euro gewachsen. Besonders stark nahmen die Umsätze bei den Wirkstoffen, die seit 2019 rezeptfrei erhältlich sind, zu. Hier verdreifachte sich der Absatz sogar von 2019 bis 2021 auf 2,8 Millionen Packungen.

Beim Lesen der Tageszeitung DIE WELT stolpere ich vor kurzem über einen Artikel mit Testergebnissen der WELT-Redaktion zu diversen frei verkäuflichen Antihistaminika. Im Stil von Check24 und anderen Vergleichsportalen wurden Medikamente verglichen, bewertet und beworben wie Waschpulver oder Toilettenpapier.

Die Redaktion verkündet: „Mit Allergietabletten können Sie lästigen Beschwerden wie Heuschnupfen endlich den Kampf ansagen. Wir waren im April 2024 insbesondere von den Charakteristika des Modells Allergietabletten von ALLEGRA überzeugt.”

Testkriterien waren u. a. Kriterien, wie “plant-based” und “tierfrei”. Kein Wort zu möglichen Nebenwirkungen oder gar Kontraindikation. Im äußerst Kleingedruckten lese ich dann: “Wir führen als Redaktion unabhängige Produktvergleiche durch und verweisen auf ausgewählte Online-Anbieter und Partner, die uns eventuell kompensieren.”

Antihistaminika gelten mittlerweile als harmlose und Lifestyle-Medikamente. Aber sind sie das wirklich? Auch wenn die Antihistaminika der 2. und 3. Generation als sehr verträglich gelten, ist der Dauergebrauch nicht nebenwirkungsfrei.

Lassen Sie uns das ein wenig beleuchten und damit beginnen, was bei einer Allergie im Körper vonstatten geht. Unabhängig davon, welche Allergie vorliegt, ist der Ablauf prinzipiell immer der gleiche: Antikörper vom Typ IgE setzen sich auf spezifische Rezeptoren der Mastzellen. Diese sind äußerst wichtige Immunzellen, ohne die wir innerhalb weniger Wochen nicht mehr leben würden (siehe News vom 4.11.23).

Mastzellen sind allerdings nur reine Befehlsempfänger und feuern auf den vermeidlichen Feind, in diesem Fall die Pollen, und versuchen diesen mit ihrem gesamten Waffenarsenal zu bekämpfen. Ihre wichtigste und effektivste Waffe ist Histamin. Dieses Molekül ist für den Körper überlebenswichtig und wird daher ständig von den Mastzellen in ausreichender Menge auf Abruf gehalten. Egal, wie viel Histamin sie nun von außen zuführen oder nicht. Den Histamingehalt des Körpers können Sie – genauso wie Ihren Cholesterinspiegel – nur bedingt durch Ihre Ernährung beeinflussen. Selbst wenn Sie einige Tage wasserfasten, haben Ihre Mastzellen immer noch ausreichend Histamin, um im Falle eines Pollenangriffs zu reagieren.

Im Falle einer Allergie werden im Körper grundlos - denn Pollen sind keine Feinde für uns Menschen - Mastzellen zur Histaminausschüttung angetrieben. Infolgedessen wird Histamin ins Blut abgegeben, das wiederum an den Zielorganen wirkt, um diesen zu helfen, den vermeintlichen Feind zu vernichten. Eine logische Reaktion aus Sicht des Körpers.

Die Symptome, die Histamin bei Pollenallergie auslöst, kennen Sie:


  • Kratzen im Hals
  • Triefende, entzündete Augen
  • Hustenreiz
  • Verstopfte Nase und Fließschnupfen
  • Niesreiz

Diese sind lästig bis stark belastend und durch Antihistaminika ziemlich schnell und zuverlässig zu beseitigen. Warum die Einnahme dieser Medikamente keine Dauerlösung sein sollte, erfahren Sie in der nächsten News.

Quellen:
https://www.welt.de/vergleich/allergietablette/

Vandenberghe-Dürr S, Harr T, Vandenberghe F. Antihistaminiques : une histoire sans fin [Antihistamines : An ongoing narrative]. Rev Med Suisse. 2024 Apr 3;20(868):711-719. French. doi: 10.53738/REVMED.2024.20.868.711. PMID: 38568065.

Thangam EB, Jemima EA, Singh H, Baig MS, Khan M, Mathias CB, Church MK, Saluja R. The Role of Histamine and Histamine Receptors in Mast Cell-Mediated Allergy and Inflammation: The Hunt for New Therapeutic Targets. Front Immunol. 2018 Aug 13;9:1873. doi: 10.3389/fimmu.2018.01873. PMID: 30150993; PMCID: PMC6099187.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.