Ein Wrack jubelt
Merkwürdige Wortkombination. Ich weiß. Da hat mich heute ein Wirbelwind in der Praxis überrascht. Wirklich überrascht, weil die Dame, über 60 Jahre, mit 30 kg Übergewicht sich selbst ganz anders vorgestellt hatte:
- Sie sei ein Wrack. Hätte hunderttausend Bücher gelesen ohne Hilfe zu finden.
- Seit einem Jahr schwere Depression, Panikstörung. Natürlich Psychopharmaka.
- Ständig müde, ständig schlapp, kein Antrieb. Keine Lust mehr.
- Außerordentliche Schmerzen in beiden Beinen, angeblich Fibromyalgie. Brauche Tilidin (Schmerzmittel)
Als Hausarzt, als normaler Kassenarzt, wie ich das 21 Jahre war, ist man da ziemlich hilflos. Wie Sie sich denken können. Man überweist natürlich an den Psychiater, an den Neurologen, an den Rheumatologen, womöglich Kardiologen. Und rät zur Ernährungsberatung (Übergewicht). Will sagen: Man schiebt ab. Notgedrungen. Ein Kassenarzt hat nur begrenzte Zeit, hat auch nur begrenzte Energie, wenn Sie diesen Satz verstehen.
Das war Vorher.
Jetzt kommt Nachher.
4 Wochen später überfällt mich dann der besagte Wirbelwind in meiner Praxis. Hören Sie nur einmal zu:
- „Sie sei total happy“
- Sie hätte alle Antidepressiva weggeschmissen.
- Sie sei mir wahnsinnig dankbar, hätte einfach Urlaub auf Gran Canaria gemacht.
- Hätte sich noch nie so wohl gefühlt.
- Sähe die Sonne wieder scheinen.
- Und dann: „Geil ist das!!!“
Jetzt verstehen Sie den Wirbelwind. Mir ist der Mund offen gestanden. Aus der Hölle in den Himmel in 4 Wochen? Das erlebe auch ich selten. Zugegeben.
Das mit den „hunderttausend Büchern“ schien zu stimmen. Die junge Dame jonglierte mit Begriffen wie Prolin, Lysin, Faszientherapie usw., dass es eine reine Freude war. Wirklich belesen.
Was so eine simple Blutanalyse (simpel??) doch alles bewirken kann. Nachweislich kann sie ein Leben auf den Kopf stellen.
Mein Hoffnungsschimmer: Irgendwann einmal wird es einen Milliardär treffen. Der dann -dankbar- das berühmte „Institut für Frohmedizin“ – natürlich in München gründen wird. Ob ich das noch erleben darf?