„Ihr Darm ist absolut in Ordnung, besser geht es nicht.“, wurde zuletzt einer frisch-koloskopierten Patientin mitgeteilt. Bedeutet übersetzt: „Wir haben bei Ihrer Darmspiegelung keinen Tumor, keine Polypen oder starke Entzündungen im Dickdarm gefunden.“

Was verschwiegen wurde: „Ihren Dünndarm, der in etwa drei Meter ausmacht, haben wir nicht untersucht, denn den können wir nicht so einfach spiegeln. Ob es da Krankheitsprozesse gibt, können wir mit unserer Methode nicht feststellen und müssten gezielt den Dünndarm untersuchen.“ Was aber in den allermeisten Fällen unterbleibt. …

Meine Patientin wurde mit der Diagnose „Reizdarm“ entlassen. Sie war verzweifelt, denn die Beschwerden bestanden ja weiterhin, und sie begab sich bei Dr. Google auf die Suche. Alsbald war sie überzeugt davon, an einer Histamin-Intoleranz zu leiden.

Aus Mangel an guten Therapeuten, die ein Darm-Leiden einmal gründlich untersuchen und es nicht lapidar mit „Reizdarm“ abtun, versuchen es viele Betroffene, so auch meine Patientin, erst einmal mit Auslassdiäten. Im Internet findet sich dazu leider sehr viel Unfug.

In der Folge ging es meiner Patientin nicht besser. Sie bemerkte, dass die Nahrungsauswahl immer geringer wurde. Fast jede Mahlzeit bereitete Probleme. Hinzu kamen allmählich auch Mikronährstoffmängel durch die eingeschränkte Kost. Ich habe leider immer wieder Patienten in meiner Praxis, die sich von nur 5-10 verschiedenen Nahrungsmitteln ernähren.

Wonach eben bei dieser Patientin (so wie bei den meisten mit Reizdarm) nicht geschaut wurde, war der Dünndarm. Dieser ist ein langer, stark gewundener Verdauungsschlauch von ca. 3 - 5 m, der nur zu Beginn und am Ende durch eine Spiegelung untersucht werden kann.

News-Leser wissen, dass sich im Dünndarm viele chronische Entzündungsprozesse abspielen, die mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden (Spiegelung, CT, MRT und histologische Untersuchungen) nicht erkannt werden kann. Dazu bedarf es anderer Verfahren.

In 20 Jahren Praxis habe ich festgestellt, dass chronische Entzündungsprozesse zu diesen häufigen so genannten „Reizdarm“-Beschwerden führen:


  • Serotoninüberschuss
  • Histaminüberschuss
  • Salicylatunverträglichkeit
  • Zöliakie
  • Fruktose- und Sorbitintoleranz
  • Laktoseintoleranz

Typisch ist für „Reizdarm-Patienten“, dass nicht nur eine Unverträglichkeit vorliegt, sondern immer mehrere. Und dass die Anzahl stetig zunimmt.

Während die so genannte Histamin-Intoleranz sich eigentlich fast immer als entzündungsbedingter DAO-Mangel entpuppt, ist der Serotoninüberschuss eine Folge eines entzündungsbedingten MAO-Mangels und die Fruktoseintoleranz die Folge eines entzündungsbedingten Fruktose-Transportermangels.

Übrigens: Serotonin- und Histaminüberschuss machen sehr ähnliche Symptome. Nur eine Stuhluntersuchung schafft hier Klarheit. Bei der Salicylatintoleranz liegt hingegen eine andere entzündungsbedingte Störung vor.

Alle drei Unverträglichkeiten führen zu frappierend ähnlichen Symptomen. Wie die orientierende Diagnostik einfach erfolgen kann, erkläre ich in der nächsten News.


Quellen:
Kyra Kauffmann, Sascha Kauffmann: Der Histamin-Irrtum, VAK Verlag Kirchzarten 2021
Liu N, Sun S, Wang P, Sun Y, Hu Q, Wang X. The Mechanism of Secretion and Metabolism of Gut-Derived 5-Hydroxytryptamine. Int J Mol Sci. 2021 Jul 25;22(15):7931. doi: 10.3390/ijms22157931. PMID: 34360695; PMCID: PMC8347425.
Yano JM, Yu K, Donaldson GP, Shastri GG, Ann P, Ma L, Nagler CR, Ismagilov RF, Mazmanian SK, Hsiao EY. Indigenous bacteria from the gut microbiota regulate host serotonin biosynthesis. Cell. 2015 Apr 9;161(2):264-76. doi: 10.1016/j.cell.2015.02.047. Erratum in: Cell. 2015 Sep 24;163:258. PMID: 25860609; PMCID: PMC4393509.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.