Hungerast
Ist „ein plötzlicher Leistungseinbruch des Körpers in Folge eines Mangels an Kohlenhydraten“. Der Schrecken jedes Ausdauersportlers. Und als „Unterzucker“ der Schrecken jeder überarbeiteten Hausfrau. Weiß ich deshalb, weil Sie es mir erzählen. Fast täglich. Hungerast ist kinderleicht machbar: Rasen Sie los. Zu Fuß oder auf dem Rad. Kohlenhydratleer. Und geben Sie Vollgas. Schon nach 20 bis 30 Minuten, manchmal nach einer Stunde werden Sie
wobbelig.
Besser kann man’s nicht beschreiben. Die Beine „tun‘s nicht mehr“, es wird Ihnen leicht schwindelig, Sie denken „daneben“, sehen nicht mehr so richtig scharf, sind einfach „am Ende“.
Nichts anderes ist der „Mann mit dem Hammer“, ist „die Mauer“ im Marathon nach etwa 32 Km. Wenn Sie Bestzeit rennen wollen, also Vollgas geben und der Körper zu wenig Kohlenhydrate zur Verfügung stellt.
Das war soeben eine wichtige Bemerkung. Zur Verfügung stellt. Ihr Körper stellt nämlich immer Kohlenhydrate zur Verfügung. Ob Sie nun essen oder nicht. Es kommt auf das Gleichgewicht an: Wenn Sie Vollgas geben, wenn Sie im roten Bereich Sport treiben, wenn Sie sich (auch psychisch!) überarbeiten, also mehr Zucker verbrauchen, als der Körper selbst herstellen kann, folgt unweigerlich der Hungerast.
So wird das in der Regel nicht gelehrt. In der Regel hebt man den pädagogischen Zeigefinger: Sie haben Ihren Fettstoffwechsel zu wenig trainiert! Denn bei gut trainiertem Fettstoffwechsel würden Sie auch beim Marathon von Anfang an die Energie zu einem erheblichen Teil aus dem Fett (immer vorhanden) und einem geringeren Teil aus den gegessenen Kohlenhydraten beziehen. Aus dem Speicher-Glykogen. Und würden länger durchhalten. Idealerweise, wie die Kenianer, den ganzen Marathon. Die trinken, soweit ich das beurteilen kann, nur Wasser.
Was die Herren Trainer mit ihrem erhobenen Zeigefinger nie so richtig erklären: Hungerast ist unausweichlich. Da kann Ihr Fettstoffwechsel noch so gut trainiert sein. Nämlich dann, wenn Sie Ihre 5 bis 6 Stunden Rad fahren. Auf Anschlag. An jedem Hügel Vollgas. So viel Power-Gel können Sie gar nicht nachtanken. Wie jeder Ironman auf Hawaii ja am eigenen Leibe bald kennenlernt.
Es kommt also entscheidend auf das Wörtchen Intensität an. Nicht auf die Dauer Ihrer sportlichen Höchstleistung: Die kann auch 40 Stunden dauern: Ohne Hungerast. Wenn Sie immer „gerade noch im grünen Bereich“ bleiben. Also an der Schwelle. Besser knapp unter der Schwelle. Kommt dann aber nach 10, 20, 30 Stunden ein längerer Hügel und Sie wollen mit Vollgas hinauf…Hungerast… herrlich.
Mein persönlicher Senf zum Thema: Hungerast ist für mich etwas Wunderschönes. Benutze ich als Mess-Parameter. Im Unterzucker weiß ich, dass ich meine Grenze erreicht habe. Überschritten habe. Also wirklich alles gegeben habe.
Hungerast ist ja kinderleicht wieder abstellbar. Zum Glück. Habe ich Ihnen mal präzise beschrieben in „Die neue Diät“, Seite 41. Drum habe ich, wann immer ich Sport treibe, ein Notfall-Gel bei mir.
Weil ich – lächelnd – mich sehr wohl erinnere, wie oft ich auf den Knien über den Waldboden gerobbt bin auf der Suche nach ein paar vertrockneten, zuckerhaltigen Beerchen. Ziemlich verzweifelt. Muss nicht sein. Schon weil es auf Hawaii notfalls wohl keine Beerchen gäbe…