Mein Lieblings-Ingenieur
Hat mir soeben in eindrücklicher Weise klar gemacht, was mir persönlich in den nächsten 30 Jahren blüht. Oh Jammer und Not! Oder aber: Oh kindliche Freude. Werden Sie gleich verstehen.
Der Herr hat sich ein paar geniale Gedanken gemacht über den evidenten Zusammenhang zwischen ganz jung und ganz alt. Und weshalb diese zwei Zeitabschnitte sich so ähnlich sind. Dazu malt er zunächst, typisch Ingenieur, eine Kurve:
Und zeigt ganz überzeugend und gekonnt, was auf uns zukommt: Ich schreib‘s einfach wörtlich ab, wenn Sie erlauben:
Dass die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit von Geburt an zunimmt, Mitte zwanzig einen Höhepunkt erreicht, und mit zunehmendem Alter wieder abnimmt, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Dass die Kurve bei jedem Menschen individuell anders verläuft ist ebenfalls selbstverständlich. Es gibt aber einige Parallelen zwischen dem ansteigenden und dem absteigenden Ast, die es wert sind, näher beleuchtet zu werden. Da sind zunächst die körperlichen Merkmale. Mit wenig Haaren kommt der Mensch auf die Welt, mit wenigen verabschiedet er sich wieder. Ältere Menschen verlieren auch sehr häufig das individuelle, charakteristische Aussehen. Sie sehen sich alle ähnlich, ob Männlein oder Weiblein. Damit nähern sie sich im Aussehen dem Säugling an, insbesondere die etwas fülligeren Zeitgenossen.
Das Kleinstkind lernt gehen, der alte Mensch verlernt es wieder. Deshalb braucht er, um nicht wie ein Kleinkind krabbeln zu müssen, einen Rollator. (Früher standen bei uns in der Siedlung die Kinderwägen vor der Haustür, heute die Rollatoren.) Die letzte Stufe nach dem Rollator ist dann häufig die Bettlägerigkeit als Pflegefall, verbunden mit dem Verlust der Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und mit Inkontinenz. Geradeso wie bei einem Säugling.
Die eigentlich interessantere Beobachtung betrifft aber die Parallelität der geistigen Fähigkeiten. Ausgehend vom Zenit kann man unten waagrechte Linien einziehen, die die beiden Äste auf gleicher Höhe schneiden. Das geistige Potential des Alters entspricht ungefähr dem Potential der Jugend auf gleicher Höhe.
Damit hängt ein weiteres Phänomen zusammen, das Vergessen. Das was man auf dem aufsteigenden Ast als Letztes gelernt hat, vergisst man als Erstes wieder. Je früher man etwas gelernt hat, desto später vergisst man es. Gerade so, als würden die letzten Verbindungen im Gehirn als Erste, und die ersten als Letzte gekappt. Eine Folge dieses Phänomens ist das Auftreten von Erinnerungen. Durch den Wegfall späterer Verbindungen treten urtümlichere Verbindungen zutage - der Mensch erinnert sich plötzlich an längst vergangene Vorkommnisse. Zum Ende hin erinnert er sich noch an alles, was in tieferen Schichten seines Bewusstseins gespeichert ist: Kinderlieder, Abzählreime und die eigenen Eltern. Mit Differenzialgleichungen, Latein, ja sogar seinen eigenen Kindern kann er nichts mehr anfangen. Es ist ihm auch egal.
Ein guter Beleg für diese Theorie ist das Autofahren. Warum steigt die Unfallhäufigkeit ab einem Alter von 80 Jahren urplötzlich rapide an? Hat der Mensch das Autofahren verlernt? Vermutlich ja. Viele 80-jährige sind beim Führerschein das erste Mal am Lenkrad gesessen. Womöglich haben sie ihn erst später als mit 18 gemacht. Zudem bei einem wesentlich harmloseren Verkehrsgeschehen als heute. Reflexe und Automatismen, wenn sie denn jemals vorhanden waren, kommen ihm immer mehr abhanden.
Ganz anders die Jugend von heute. Sie wachsen praktisch im Kindersitz auf, an das Verhalten im Straßenverkehr sind sie von klein an gewöhnt, spätestens mit Fünf sitzen sie das erste Mal im Kart. Für die ist Autofahren so natürlich wie zu Fuß gehen. Die verlernen es vermutlich nie, falls Autofahren dann überhaupt noch möglich ist.
Obacht! Mit Verallgemeinerungen in der hier gezeigten Art muss man sehr sehr vorsichtig sein. Das Diagramm besitzt schon eine gewisse Worst-Case Charakteristik. Der Verlauf sieht, wie gesagt, bei jedem Menschen anders aus. Es soll auch Leute geben, die das genaue Gegenteil beweisen, die auch im hohen Alter geistig und körperlich topfit sind. Diese Menschen sind im Diagramm als grün-gestrichelte Linie eingezeichnet.
Sie stellen aber zunehmend die Ausnahme dar. Was jedoch nichts daran ändert, dass sich ausnahmslos alle für sich persönlich diesen Verlauf wünschen würden. Leider haben nicht viele das Glück, rechtzeitig mit "Forever Young" Bekanntschaft zu machen.