Ölziehen – mehr als eine schmierige Angelegenheit?
Manche Menschen berichten über Mundgeruch (med. Halitosis) durch Zungenbeläge, die extrem hartnäckig sind und einfach nicht durch Zähneputzen entfernt werden können.
Dagegen hilft sehr gut ein altes Hausmittel, das auch in der Naturheilkunde und in der ayurvedischen Medizin eingesetzt wird: Ölziehen oder Ölkauen.
Dazu nimmt man morgens nach dem Aufstehen VOR dem Zähneputzen einen Esslöffel Speise-Öl in den Mund, bewegt es etwa 15-20 Minuten lang von einer Backentasche zur anderen (ja das ist lang!) und zieht es durch die Zähne.
Geübte „Ölzieher“ machen das ganz nebenbei beim Duschen, so verliert man morgens keine wertvolle Zeit.
Bei diesem „Kauen“ verändert sich das Öl in seiner Konsistenz, wird flüssig wie Wasser und nimmt eine weiße Farbe an. Die entstehende Emulsion wird ausge-spuckt (aber bitte in ein Papiertaschentuch, nicht ins Waschbecken!), danach werden ganz normal die Zähne geputzt und ein Zungenschaber (erhältlich in jedem Drogeriemarkt) benutzt.
Zum Ölziehen eignet sich am besten ein relativ neutral schmeckendes Speiseöl, wie Sonnenblumenöl. Intensiv schmeckende Öle sind auf nüchternen Magen fies.
Ich selbst präferiere zum Ölziehen einen Löffel Kokosfett, welches im Mund sofort flüssig wird. Eigens dazu angebotene Spezialöle mit zugesetzten ätherischen Ölen zu nutzen, ist nicht notwendig.
Schon nach der ersten Anwendung hat man einen wunderbar frisches Gefühl im Mund.
Es ist ein bisschen wie nach einer professionellen Zahnreinigung.
Für einen länger anhaltenden Erfolg sollte man den Mund allmorgendlich mindestens einen Monat lang täglich spülen, pausieren und nach vier Wochen erneut beginnen.
Wenn das Ölkauen Ihnen angenehm ist, spricht aber auch nichts gegen eine dauerhafte Anwendung.
Um das Ölziehen ranken sich zahlreiche mystische Geschichten, die diese wirklich nützliche Methode unnötigererweise ins Esoterische abgleiten lassen.
Nach der Theorie eines angeblichen Dr. Fedor Karach, der das Ölziehen bei sibirischen Schamanen entdeckt haben soll, entgiftet es den Körper und helfe bei Kopfschmerzen, Bronchitis, Lungen- und Leberleiden, Arthrose, Hautproblemen, Rheuma, Magengeschwüren Nieren- und Blasenleiden, ja sogar bei Schlaflosigkeit und Depressionen. Sucht man allerdings in medizinischen Datenbanken nach zitierfähigen wissenschaftlichen Publikationen dieses „ukrainischen Wissenschaftlers“, so bleibt er ein Phantom, und man findet nichts.
Doch auch in der jahrtausendealten ayurvedischen Medizin kennt man solche Reinigungsrituale. Die Inder sind der Meinung, dass durch Mundspülungen mit Sesamöl der Körper von Giftstoffen befreit werde.
Ölziehen ist also nicht nur ein Trend, den in letzter Zeit Instagram-Influencer erfunden haben, um uns morgens mit skurrilen Dingen zu beschäftigen.
Entgiftung hin, Wissenschaft her. Jeder kann selbst erleben,, dass das Ölziehen bei einer hartnäckig belegten Zunge wirklich grandios funktioniert und sich die Zungenbeläge innerhalb weniger Tage deutlich verringern und besser ablösen lassen.
Meine Erklärung dafür: Schon seit Alexander Fleming wissen wir, dass Speichel ein Enzym namens Lysozym enthält, was Bakterienzellwände angreift und daher eine Rolle bei der Infektabwehr spielt.
Wenn man das Öl lange genug im Mund bewegt, wird vermehrt Lysozym-haltiger Speichel gebildet, in alle Zahnfleischtaschen gedrückt, der fiese Zungenbelag angegriffen und der Bakterienschmodder im Öl emulgiert. Wenn ein antibakterieller Stoff 15-20 Minuten auf die Bakterien einwirken kann, muss der Effekt größer sein als durch 5 Minuten Zähneputzen und ein paar Sekunden Mundwasser-Spülung.
Eine kleine frei zugängliche Studie indischer Zahnärzte an (leider nur) zehn Studenten aus dem Jahre 2007, ergab zumindest eine statistisch signifikante Verminderung von Plaque und Zahnfleischentzündungen nach 45 Tagen des Ölziehens.
Eine Masterarbeit des Zahnarztes Christof Frey aus dem Jahre 2020 bescheinigte dem Ölziehen eine „aktuell geringe Evidenz“. Er warnte zudem noch vor den möglichen Gefahren des versehentlichen Einatmens der Öl-Lösung bei nicht sachgerechter Anwendung bei „kleinen Kindern und Patienten mit motorischer und geistiger Einschränkung“.
Allerdings räumte der Autor ein, dass durch das Ölziehen der Focus auf die Mundgesundheit und einen gesunden Lebensstil gelenkt werde und viele Probanden das Ölziehen freiwillig fortsetzen möchten.
Wenn Sie dem morgendlichen Öl-Marathon also ergänzend zu ihrer normalen Zahnpflege eine Chance geben möchten, seien Sie also gewarnt:
Das Öl bitte nicht einatmen!
Quellen:
H. V. Amith, Anil V Ankola, L. Nagesh: Effect of Oil Pulling on Plaque and Gingivitis. In: Journal of Oral Health and Community Dentistry. 1(1), 2007, S. 12–18
https://www.researchgate.net/publication/228617444_Effect_of_Oil_Pulling_on_Plaque_and_Gingivitis
Dr. med. dent. Christof Frey: Trend Ölziehen - Evidenz und Risiko der Lipidpneumonie
https://diu.qucosa.de/landing-page/?tx_dlf[id]=https%3A%2F%2Fdiu.qucosa.de%2Fapi%2Fqucosa%253A70986%2Fmets
Über die Autorin:
"Die Biologin Ursula Bien, Jahrgang 1963, ging nach ihrer Zeit am Institut für Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich in die Pharmaindustrie und war zuletzt 15 Jahre lang Geschäftsführerin eines kleinen forschenden Pharmaunternehmens. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag dabei immer im Bereich der Hämatologie und Onkologie (Blutkrebs, Stammzelltransplantation, Tumore). Motiviert durch Fragen krebskranker Patienten, begann sie sich mit alternativen und komplementären Therapieverfahren zu beschäftigen. Sie absolvierte eine Zusatzausbildung als Heilpraktikerin und bildete sich über viele Jahre intensiv zu den Themen orthomolekulare Medizin und Ernährungsmedizin weiter. Nicht zuletzt durch den wissenschaftlichen Austausch mit Dr. med. Ulrich Strunz fand sie zum Thema Epigenetik und Bluttuning. Mittlerweile gibt sie die „Strunzsche Philosophie“ in eigener Praxis voller Überzeugung auch an ihre Patienten weiter.
Das sagt sie selbst zu ihrer Tätigkeit:
„So sinnvoll die Schulmedizin in vielen Bereichen auch ist, darf es bei chronischen Erkrankungen nicht das Ziel sein, Symptome zu unterdrücken. Es gilt, die Ursachen einer Erkrankung zu finden und abzustellen. Was durch Ernährungsumstellung, gezielte Zufuhr fehlender Mikronährstoffe und Bewegung erreicht werden kann, ist immer wieder verblüffend. Ich bin Dr. Strunz für das, was ich von ihm lernen durfte unendlich dankbar und freue mich für jeden Menschen, der am eigenen Leibe erfahren darf, dass manche Krankheiten nicht nur Schicksal sind.“