Reverse T3
Ein weiterer Wert aus der Schilddrüsendiagnostik, der noch seltener als T4 und T3 gemessen wird, ist das Reverse T3.
Sie wissen bereits: Ihre Körperzellen benötigen T3, das aktive Schilddrüsenhormon. Dieses sollte auch der Fokus sein bei der Laboruntersuchung der Schilddrüse und einer etwaigen Therapie einer Schilddrüsenstörung. Mit T4, auch nicht mit dem Medikament, das Sie vielleicht jeden Morgen als L-Thyroxin nach dem Aufstehen schlucken, können Ihre Zellen nichts anfangen, wie in der letzten News beschrieben.
In der Realität sieht es aber oft so aus: Patienten leiden an einer Schilddrüsenunterfunktion und ihre Schilddrüsen-Medikation wird von Arztbesuch zu Arztbesuch ständig weiter erhöht.
Die typischen Symptome, wie
- Bleierne Müdigkeit
- Verstopfung
- Gewichtszunahme
- Wassereinlagerungen
- Kälteempfindlichkeit
- Haarausfall
- Brüchige Fingernägel
- Gedächtnisstörungen
werden jedoch nicht besser.
Irgendwann ist dann schon eine sehr hohe Gabe an L-Thyroxin erreicht, und der Arzt weiß nicht mehr weiter. Spätestens dann sollte der Laborwert Reverse T3, kurz rT3, bestimmt werden.
Dieser Wert misst ein Hormon, das bei der Umwandlung von T4 (Thyroxin) in der Leber, parallel zur Bildung des aktiven T3 (Trijodthyronin) entsteht. Der Leber ist es übrigens egal, ob das T4 aus der Eigenproduktion der Schilddrüse (aus Jod und Tyrosin) oder aus der morgendlichen Tablette kommt. Sie aktiviert T4 zu T3. Im gesunden Fall. In einigen Fällen produziert die Leber große Mengen an rT3.
Dieses entsteht ebenfalls durch die Abspaltung eines Jodatoms von T4, allerdings an einer anderen Stelle des Moleküls. Dieser feine Unterschied erklärt, warum das Reverse-T3 biologisch unwirksam ist.
Dadurch wird T4 eben nicht hauptsächlich ins aktive T3 umgewandelt, sondern es führt zum einen zu einer geringeren Menge an aktiven T3. Zum anderen entsteht ein Stoffwechselprodukt, dass das bereits vorhandene T3 im Körper torpediert, in dem es sich auf die T3-Rezeptoren der Körperzellen setzt. Dadurch kann T3 nicht mehr im vollen Umfang wirken.
Ergo: Wir haben trotz vermeintlich „guter“ Schilddrüsenwerte eine funktionelle Schilddrüsenunterfunktion.
Das Reverse T3 ist eigentlich ein geschickter Schachzug der Natur. Es wirkt als physiologischer Schutzmechanismus des Körpers, der bei niedrigem T3-Bedarf der Zellen, den Stoffwechsel des Körpers herunterreguliert.
In der Regel bildet der Körper nur sehr wenig rT3.
Ein überproportionaler Anstieg an rT3 entsteht
- beim Fasten, vor allem wenn gleichzeitig die körperliche Bewegung eingeschränkt wird.
- bei Schwerkranken
- nach Operationen
- bei chronischem Stress und erhöhtem Cortisolspiegel
- bei Insulinresistenz, metabolischem Syndrom und Übergewicht
- bei erhöhter Gabe von L-Thyroxin als Medikament
Selbstverständlich sind Stressabbau, Ernährungsumstellung und Bewegung die bewährten Maßnahmen zur Reduktion von chronisch erhöhtem rT3. Es wirkt zuverlässig und innerhalb kurzer Zeit. Messbar durch eine Blutabnahme.
Genauso wichtig ist es allerdings, die medikamentöse L-Thyroxin-Gabe so gering wie möglich zu halten und die Schilddrüse vielmehr über die Gabe von Jod und Tyrosin zur Eigenproduktion von Hormonen anzuregen. Der Körper schützt sich vor einer Überflutung der Leber mit unphysiologischen Dosen an L-Thyroxin durch vermehrte Bildung rT3.
L-Thyroxin ist seit Jahrzehnten eines der meistverschriebenen Medikamente hierzulande. Mit mehr als einer Milliarden Tagesdosen pro Jahr. In vielen Fällen vollkommen unnötig und schädlich.
Quellen:
Halsall DJ, Oddy S. Clinical and laboratory aspects of 3,3',5'-triiodothyronine (reverse T3). Ann Clin Biochem. 2021 Jan;58(1):29-37. doi: 10.1177/0004563220969150. Epub 2020 Nov 4. PMID: 33040575.
Gomes-Lima C, Wartofsky L, Burman K. Can Reverse T3 Assay Be Employed to Guide T4 vs. T4/T3 Therapy in Hypothyroidism? Front Endocrinol (Lausanne). 2019 Dec 11;10:856. doi: 10.3389/fendo.2019.00856. PMID: 31920970; PMCID: PMC6917573.
https://www.thyroid.org/wp-content/uploads/publications/ctfp/volume12/issue1/ct_public_v121_11_12.pdf
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.