Schmarrn im Darm.
Gast-News Nr. 43
Von der Wirkungsweise des Tarot und der Horoskope war ich 2015 fasziniert. Weil es wahrgenommen funktioniert. Wahrgenommen effektiv ist. Auf Englisch: „perceived effectiveness“. Manche Menschen mögen Tarot und Horoskope nicht. Verweisen auf bekannte empirisch belegte Erkenntnisse aus Experimenten, die Tarot und Sternzeichen als „bias“ entlarven.
Eine bias ist z.B. unsere biologisch geprägte Voreingenommenheit, Dingen, mit welchen wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, besonders viel Aufmerksamkeit zu widmen. Oder uns ungern eines „besseren“ belehren lassen. Völlig normale, empirisch belegte Sachverhalte des menschlichen Gemüts.
Heute lag die Fachzeitschrift „Der Gastroenterologe“, Band 13, Heft 2, März 2018 auf den Tresen der Praxis. Und ich fragte mich, weshalb ein Experte im Bereich Gastroenterologie (http://www.drstrunz.de/schrifttumsverzeichnis.php) diese Fachzeitschrift ungern öffnet.
- Was würden Sie tun?
Also los. Ich schlage auf Seite 98-99:
- „Dyspeptische Beschwerden sind einer der häufigsten Gründe für eine Vorstellung beim Gastroenterologen. Nach adäquatem Ausschluss spezifischer organischer Erkrankungen findet sich als häufigste Ursache eine funktionelle Dyspepsie (FD). (…) Angstzustände und Depression finden sich häufig mit FD assoziiert (…).“
Weiter geht’s. Seite 100:
- „Für fettreiche Ernährung und Kaffee, aber nicht für mäßigen Alkoholkonsum wurde eine signifikante Assoziation mit dyspeptischen Beschwerden gefunden [8].“
Also die Studie [8] gesucht. 32 USD über Kreditkarte bezahlt. Studie ausgedruckt. Studie gelesen.
- Würden Sie das tun?
In der Studie wurden von 6451 Studien 16 Studien entnommen. Es wurde nicht gemessen. Es wurden Studien zusammengefasst. Müsste man jetzt noch die 16 Studien lesen.
- Würden Sie das tun?
Der Fettkonsum wurde nicht gemessen oder nach der Menge abgefragt. Es wurde der wahrgenommene Fettgehalt („Perception of fat content“) geschätzt.
5 davon Case-Control Studien. 5 davon Cohort Studies. 5 davon Cross-Sectional. Ein einziges (!!!) Placebo-Controlled trial. Die Studien beruhen also auch auf unterschiedlichen Methoden.
In zwei Studien war Alkohol unbedenklich, in einer war er bedenklich. In einer anderen waren Wein und Bier zu über 66% bedenklich. In vier Studien war Kaffee zu 50 % (Münzwurf) bedenklich, in einer war der Kaffee völlig unbedenklich.
In „Mehr als einer Studie“ waren dagegen bedenklich:
Getreide/Nudeln/Weizen Produkte (6 Studien), Softdrinks/Kohlensäurehaltige Getränke (4 Studien), Tee (2 Studien), Früchte/Fruchtgetränk/Wassermelone (3 Studien), Fertigprodukte wie Pizza (3 Studien)…
Also was ist denn nun die Erkenntnis? Und wie distanziert sich diese Studie denn vom Vorwurf der Horoskop-Kritiker? Dass Horoskope doch nur funktionieren, weil sie oberflächlich, möglichst allgemein gehalten sind. Jeder das rausliest, was er für richtig hält. Und Schwarz-Weiß gehalten sind? Und was würden Sie jetzt im SPIEGEL lesen? Kauft sich der Journalist das Paper? Liest der mehr als nur den abstract? Liest der alle 16 Verweisstudien?
32 USD sind ~ 25 Euro. Das wäre ein riesiges Entrecôte gewesen…mit einem guten Espresso.
PS: Aus solchen Studien werden die für Ärzte verbindlichen Leitlinien konstruiert, entsteht sogenannte „evidenzbasierte Medizin“. Bei diesen beiden Begriffen klingeln bei mir Alarmglocken…