Wir verdanken es Forschern, wie dem Gastroenterologen Dr. Mark Pimentel, dass Patienten mit der Diagnose „Reizdarm“ nicht mehr in die Psycho-Ecke gesteckt werden, denn Symptome, wie


  • Durchfall
  • Verstopfung
  • Blähungen
  • Bauchkrämpfe,

für die mit einer normalen gastroenterologischen Diagnostik oft keine ausreichenden Erkläungen gefunden werden konnten, könnten mit einer SIBO-Erkrankung des Dünndarms zusammenhängen.

Bei einer Koloskopie, also der „Darmspiegelung“, untersucht der Arzt nur den Dickdarm, vielleicht auch noch das Ende des Dünndarms. Die meisten Patienten mit chronischen Darmbeschwerden haben allerdings Probleme im Dünndarm. Dieser lässt sich nicht so einfach spiegeln. Ein normaler Darmspiegelungsbefund sagt demnach gar nichts über die Gesundheit des Dünndarms aus.

SIBO, oder Small Intestinal Bacterial Overgrowth, ist eine Erkrankung, bei der es zu einer übermäßigen Ansammlung von Bakterien im Dünndarm kommt. Der Dünndarm ist relativ keimarm. Hier leben „nur“ 103 KBE/mL, im Vergleich zum Dickdarm mit einer Besiedlungsdichte von 1010-1012 KBE/ml.

SIBO entsteht durch eine Fehlbesiedlung des Dünndarms mit Bakterien, die normalerweise im Dickdarm leben. Es bedeutet ganz einfach: Gute Bakterien am falschen Ort.

SIBO ist ein wenig vergleichbar mit einer Blasenentzündung, die häufig von Darmbakterien (E. coli) verursacht wird. E. coli-Bakterien sind in ihrem normalen Milieu im Dickdarm ein Teil der normalen Besiedlung, gelangen sie aber in die Blase verursachen sie Entzündung und die bekannten unangenehmen Symptome.

Dr. Mark Pimentel forscht seit 20 Jahren über SIBO und konnte wesentliche Zusammenhänge wissenschaftlich darstellen, z. B. auch dass Erkrankungen, wie


  • Konzentrationsstörungen („Brain Fog“)
  • Schlafstörungen
  • Depressionen
  • Hauterkrankungen
  • Diabetes mellitus Typ 2

durch eine Dünndarmfehlsiedlung begünstigt werden können.

Ich sehe bei vielen Patienten, die von verschiedenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie Fruktose-, Salicylat-, und Histaminunverträglichkeit, betroffen sind, eine SIBO als Hauptursache für diese Störungen. Daher gehört die SIBO-Diagnostik mittlerweile zur Routine-Diagnostik in meiner Praxis.

Ein spezieller Wasserstoff-Atemtest ist die Standardmethode, um eine SIBO festzustellen. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Fruktose- oder Laktose-Atemtest. Dem Patienten wird eine definierte Menge an Kohlenhydraten verabreicht. Die im Dünndarm ansässigen Bakterien bauen diese ab und produzieren dabei Wasserstoff und teilweise auch Methan. Diese Gase gelangen in den Blutkreislauf und werden dann über die Lunge ausgeatmet. Durch Messung der Wasserstoff- und Methankonzentration in der Atemluft kann eine SIBO nachgewiesen werden.

Es handelt sich also nicht um eine normale Dysbiose, bei der zu viele „schlechte“ Darmbakterien im Stuhl nachgewiesen werden. Daher ist der Behandlungsansatz auch ein anderer. Was eine SIBO auslösen kann und wie eine Behandlung aussehen kann, schreibe ich in der nächsten News.


Quellen:
Rizos E, Pyleris E, Pimentel M, Triantafyllou K, Giamarellos-Bourboulis EJ. Small Intestine Bacterial Overgrowth Can Form an Indigenous Proinflammatory Environment in the Duodenum: A Prospective Study. Microorganisms. 2022 May 2;10(5):960. doi: 10.3390/microorganisms10050960. PMID: 35630404; PMCID: PMC9145321.

Tziatzios G, Gkolfakis P, Papanikolaou IS, Mathur R, Pimentel M, Damoraki G, Giamarellos-Bourboulis EJ, Dimitriadis G, Triantafyllou K. High Prevalence of Small Intestinal Bacterial Overgrowth among Functional Dyspepsia Patients. Dig Dis. 2021;39(4):382-390. doi: 10.1159/000511944. Epub 2020 Oct 2. PMID: 33011725.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.