Süßes Verlangen
Der innere Drang, der Wunsch nach etwas Schönem, etwas Wohltuendem. Unser Verlangen …. Ihnen wohl vertraut im Zusammenhang mit dem einzigen Sinn und Zweck der Evolution, der Fortpflanzung …
Aber es gibt auch andere wunderschöne wie auch weniger angenehme Beispiele zu diesem hochinteressanten Thema. Zum VERLANGEN. Darf ich?
Wenn sich eine Routine tief in die Strukturen des Gehirns eingegraben hat, passiert etwas Erstaunliches, wie Wissenschaftler in Experimenten mit Mäusen festgestellt haben. Das gute Gefühl der Belohnung tritt schon VOR der eigentlichen Handlung auf. Beim Sport ist dieser Mechanismus äußerst hilfreich.
Wenn jemand beispielsweise über Jahre jeden Morgen laufen geht, erlebt er – natürlich unbewusst – folgende Sequenz: Das Aufstehen am Morgen ist der Auslöser zum Laufen. NOCH BEVOR MAN LOSLÄUFT, erfährt man das euphorische Gefühl, welches durch die körperliche Anstrengung entsteht. Dann läuft man und erfährt das schöne Gefühl noch einmal. Stellt sich das Belohnungsgefühl bereits VOR der eigentlichen Handlung ein, hat das Gehirn ein Verlangen nach bestimmten Erfahrungen entwickelt.
Was beim Sport so hilfreich ist, das ist beim Verzicht auf Kohlenhydrate äußerst hinderlich. Das drogenähnliche Gefühl nach dem Verzehr von Süßem kennt jeder, der jemals etwas Zuckerhaltiges gegessen hat. Die meisten nehmen diesen Mini-Drogenkick schon lange nicht mehr bewusst wahr, so sehr haben sie sich dran gewöhnt. Trotzdem löst er ein Verlangen aus.
Sobald man etwas Süßes sieht oder frische Backwaren riecht, ist das wohlige Gefühl, welches nach dem Verzehr auftritt, bereits da. Das macht es besonders schwer, die Süßigkeiten einfach liegen zu lassen.
Diesen Mechanismus umzuprogrammieren, braucht Zeit und Willenskraft. Aber es funktioniert! Wenn man nämlich mal einige Zeit auf leere Kohlenhydrate verzichtet hat – z.B. mit Hilfe von sättigendem Eiweiß-Pulver – und dann rückfällig wird, merkt man, dass viele Süßigkeiten überhaupt nicht mehr gut schmecken, dass die Süße sogar unangenehm wird, wehtut. In dem Moment erfährt man keine Belohnung mehr, sondern einen Schmerz. Das Verlangen wird so langsam aber sicher ausgelöscht.
Was haben wir soeben gelernt? Epigenetik pur. Man kann offenbar auch unverrückbar scheinende Reflexe, die einem ja längst als feste Tatsachen erscheinen, lenken, steuern. Genau wie das bei der Wirkung von Genen klappt (Genexpression).
Heißt übersetzt: Der wache Mensch, der wachgewordene Mensch, also der Läufer, kann sich sein Leben selbst einrichten. Die einen Schubladen schließen, die anderen öffnen. Kann hässliche Möbel aus einer Wohnung werfen, dafür schöne Stücke ansammeln. Sich die Wohnung langsam, Schritt für Schritt ganz wundersam gestalten …
Sehen Sie: Das ist mir mit 45 Jahren passiert. Als mich ein so verdächtig stets fröhlicher Quälgeist namens Hubert Schwarz zum Laufen verführt hat. Plötzlich ist da etwas aufgewacht …. Da oben drin. Im Schädel. Nennt sich das neuronale Netz.