Süßstoffe und Mikrobiom
Vor 2 Jahren lag eine Süßstoff-Studie auf meinem Schreibtisch. Behauptung: Süßstoffe würden Darmbakterien so verändern, dass dies zu Glukose-Intoleranz, also Neigung zu Diabetes führe. Hat mich damals sehr geärgert:
Die Studie behandelte 4 Süßstoffe. Versteckt in kleinen Diagrammen und Tabellen war dann das Resultat, dass 3 Süßstoffe diese Wirkung eben nicht hatten, nur ein einziger. Und der auch nur in astronomischen Dosen. Siehe News vom 07.07.2013. Und dann liest man: „Süßstoffe….“.
Inzwischen gibt es 17 relevante Primär-Studien, die sich mit dem Einfluss von Süßstoffen auf die Darmflora beschäftigen. Also gucken wir mal hin:
- 14 der 17 Studien wurden an Ratten gemacht. Das Mikrobiom der Ratten unterscheidet sich ganz massiv von dem der Menschen. Beinhaltet also völlig andere Bakterien.
Und dann, ganz typisch: die Süßstoff-Dosen in allen 14 Studien liegen weit, weit über der für Menschen akzeptablen Tages-Dosis.
Ein Beispiel: Effekt tritt ein bei 10 000 Süßstoff-Tabletten täglich. Man greift sich ans Hirn.
Viel wichtiger als solch Geplänkel ist mir die Biochemie. Sind für mich Tatsachen. Und die sind entlarvend:
- Aspartam, bestehend aus 2 Aminosäuren (man höre und staune), wird bereits im oberen Dünndarm aufgespalten und absorbiert. Gelangt überhaupt nicht in den Dick-Darm, kommt mit dem Mikrobiom nicht in Berührung.
- Sucralose verlässt den Darm völlig unverändert. Es kommt zu keiner Einwirkung auf das Mikrobiom.
- Auch Saccharin und Acesulfam K werden nicht im Dünndarm aufgespalten, sondern unverändert über die Nieren ausgeschieden. Sie kommen also nicht in Kontakt mit der Darmflora.
- Direkten Kontakt gibt es bei Stevia. Genau dem Süßstoff, der sich - in meinen Augen - sehr enttäuschend als untauglich erwiesen hat. Schmeckt bitter, Süßwirkung erst bei hohen Dosen. Kann also nur in Kombination verwendet werden.
Dass wir uns recht verstehen: Süßstoffe sind nicht Natur. Mein untrügliches Wahrheitsfilter: Rehe schlucken keine Süßstoffe. Also sollte der Mensch auch darauf verzichten. Selbstverständlich.
Wenn ich so mit Ihnen darüber spreche, nicken Sie alle mit dem Kopf. Gehen raus und verwenden Süßstoff eben doch. Weil Sie völlig zurecht Angst vor dem Zucker haben. Man fängt immer mit ein bisschen an, es wird mehr und mehr, und dann hat man den Salat. Beziehungsweise die Speckrolle am Bauch.
Süßstoff ist also ein Kompromiss. Ein eleganter Kompromiss. Den viele Menschen aus verständlichen Gründen, nämlich wegen Ihres eigenen schlechten Gewissens, anderen Menschen ausreden möchten.
Erinnert mich gleich an eine bestimmte politische Partei.
Die umfassendste Beurteilung von Süßstoffen hat uns Sven-David Müller („Mythos Süßstoff“) geschenkt. Ein wirklicher Experte deshalb, weil er selbst schon in der Jugend an Diabetes Typ I erkrankt ist. Und er zu einem der produktivsten Ernährungs-Experten von Deutschland wurde. Wahrscheinlich aus Notwehr. Solchen Menschen höre ich zu.
Quelle: Food and Chemical Toxicology 124 (2019) 385