Bei den vielen Oktoberfesten der letzten Wochen konnte man sie wieder in allen Varianten sehen: Die Kropfbänder.

Sie sind fester Bestandteil vieler regionaler Trachten: mal sind sie ganz einfach gehalten, mal aufwändig bestickt. Ihr Ursprung liegt im 19. Jahrhundert. Damals dienten Kropfbänder dazu, einen Kropf oder Narben nach einer Kropf-Operation zu verdecken. Bei einem Kropf handelt es sich um eine vergrößerte Schilddrüse. Der medizinische Begriff dafür ist Struma. Deutlich sichtbare Kröpfe waren in dieser Zeit vor allem im süddeutschen Raum, Österreich und in der Schweiz weit verbreitet.

Dieses enganliegende Hals-Band wurde auch genutzt, um eine mögliche Schwangerschaft festzustellen. Wurde es zu eng, weil die Schilddrüse sich vergrößerte, galt dies als Anzeichen für eine Schwangerschaft. Tragisch eigentlich, denn eine Schilddrüse vergrößert sich in erster Linie nur dann, wenn ihr eins fehlt: Jod. Die Böden in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich sind sehr jodarm. In vielen Schweizer Bergtälern litten im 19. Jahrhundert rund 90 Prozent der Bevölkerung an einem Kropf.

Wer sich Bilder von Kröpfen aus dem späten 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert ansieht, wird die entstellenden Wucherungen am Hals kaum wieder vergessen. Eine Operation war die einzige Therapie, die oft tödlich endete. Erst der berühmte Schweizer Chirurg Dr. Emil Theodor Kocher konnte die hohe Sterblichkeit von Schilddrüsenoperationen auf unter 1% senken und bekam dafür im Jahr 1909 den Nobelpreis für Medizin.

Auch wenn wir die riesigen Kröpfe vergangener Zeiten heute kaum noch sehen, sind Kröpfe nach wie vor vorhanden. Jeder Dritte Deutsche ist betroffen.

Wie häufig diese Schilddrüsenveränderungen sind, wissen wir seit der Papillon-Studie aus dem Jahr 2002. Diese Studie gilt bis heute als weltweit größte Bevölkerungsstudie. Damals wurden bei 100.000 Berufstätigen, die alle vorab angaben, schilddrüsengesund zu sein, eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse durchgeführt.

Das Ergebnis zeigte:


  • Jeder 3. Erwachsene hat krankhafte Veränderungen an der Schilddrüse, von denen er bisher nichts wusste.
  • Jeder 3. Erwachsene hat einen Kropf.
  • Jeder 4. Erwachsene hat Knoten in der Schilddrüse.
  • Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen.

Die Hauptursache für einen Kropf ist in 95 % der Fälle ein chronischer Jodmangel. Dieser betrifft viele Erwachsene, Kinder und Jugendliche in unserem Land. Trotz vieler Aufklärungskampagnen der letzten Jahrzehnte hat sich die Jodversorgung aktuell sogar wieder verschlechtert.

Die Folge sind Knoten und Kröpfe, denn bei Jodmangel kann die Schilddrüse nicht genügend Hormone produzieren. Dies führt zur Ausschüttung von Wachstumshormonen durch die Hirnanhangdrüse. Als Folge versucht die Schilddrüse, den Mangel durch Gewebewachstum auszugleichen. Bei diesen Wachstumsprozessen entstehen auch häufig Fehlbildungen im Gewebe, die wir im Ultraschall bzw. im Szintigramm als so genannte „Kalten Knoten“ erkennen können.

Kalte Knoten machen keine Symptome, aber sie machen unruhig. Denn die Leitlinien empfehlen eine ständige Überwachung und ggs. Entfernung, da ein geringer Anteil sich zu Krebs entwickeln kann (siehe auch News vom 20.09.24).

Kröpfe sind überflüssig und nutzlos, da sie keine Funktion erfüllen.

Wer einen Kropf hat, bemerkt oft ein Enge- oder Fremdkörpergefühl im unteren Halsbereich. Bei größeren Kröpfen können auch Atembeschwerden oder Schluckstörungen auftreten. Dann muss der Chirurg eingreifen.

Wie Sie einem Kropf effektiv vorbeugen können, erfahren Sie in der nächsten News.


Quellen:
https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Jeder-Dritte-hat-Schilddruesen-Veraenderungen-ohne-es-zu-wissen-318883.html

Verburg FA, Grelle I, Tatschner K, Reiners C, Luster M. Prevalence of thyroid disorders in elderly people in Germany. A screening study in a country with endemic goitre. Nuklearmedizin. 2017 Feb 14;56(1):9-13. doi: 10.3413/Nukmed-0852-16-10. Epub 2017 Jan 26. PMID: 28124062.

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2001/daz-3-2001/uid-111

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/medizin2-36-2001/

https://www.sueddeutsche.de/bayern/kropf-koenigin-marie-therese-alpen-aberglaube-jodmangel-haus-der-bayerischen-geschichte-regensburg-ludwig-thoma-1.5733890?reduced=true



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.