Übergewicht: nicht Disziplin, Sucht ist das Problem
Übergewichtigen wird oft suggeriert, ihnen fehle es an Disziplin. Außerdem müssten sie sich nur etwas mehr bewegen und schon sei das Problem erledigt. Viele Übergewichtige sind sogar selbst der Meinung, dass diese Annahmen richtig seien. Fatal! Denn damit leiden Betroffene nicht nur an ihrem Übergewicht, sondern auch noch an einem negativen Selbstbild.
Übergewicht ist oft eine Sucht
Laut einer aktuellen Studie, die im Oktober 2023 in der renommierten Fachzeitung BMJ (British Medical Journal) erschien, sind 14 Prozent der Erwachsenen und 12 Prozent der Kinder abhängig von sehr hoch prozessierten Lebensmitteln. Das sind industriell hergestellte Nahrungsmittel, für deren Erzeugung mehrere Verarbeitungsschritte nötig sind. Zudem enthalten sie viele Zutaten und Zusatzstoffe. Dazu zählen Süßigkeiten, Fertiggerichte, Tiefkühlpizzen, Fertigsoßen, Knabbereien sowie Softdrinks und vieles mehr. Im Grunde genommen ist das der Großteil des Warenangebotes eines Supermarktes.
In der genannten Studie wurden 281 wissenschaftliche Veröffentlichungen aus 36 verschiedenen Ländern analysiert. Es handelt sich somit um eine Metastudie. Die Autoren beschreiben, dass der Verzehr sehr stark prozessierter Lebensmittel, die oft viele Kohlenhydrate enthalten, im Gehirn das Belohnungs- und Motivationszentraum sowie das dopaminerge System aktivieren. Kurz nach dem Verzehr solcher Speisen erleben viele Menschen ein kurzes Hochgefühl. Ähnlich wie bei dem Konsum von Nikotin oder Alkohol.
Persönlichkeitsstruktur ist der von Suchtkranken ähnlich
Wie bei Personen, die an einer Alkohol-, Nikotin- oder Drogensucht leiden, sind Betroffene einer „Junk-Food“-Sucht oft emotional instabiler als Menschen, die nicht süchtig sind. Insgesamt ist ihre psychische und körperliche Gesundheit schlechter. Viele Betroffene sind übergewichtig, aber nicht alle.
Abnehmen: vorgehen wie bei anderen Suchterkrankungen
Fast niemand würde einem Alkohol- oder Drogenabhängigen sagen: Hör doch einfach auf! Den meisten Menschen ist klar, dass das gar nicht so einfach ist. Oft handelt es sich um einen langen Prozess. Viele werden von Therapeuten oder Coaches unterstützt.
Bei der „Junk-Food“-Sucht sind die meisten Betroffenen auf sich allein gestellt. Noch gibt es nur wenige Angebote, die helfen, die Sucht langfristig zu überwinden. Aber selbst wenn man auf sich gestellt ist, kann ein Umdenken hilfreich sein. Wenn man sich nicht mehr als disziplinlosen Bewegungsmuffel bewertet, sondern als süchtig. Wenn man Mitgefühl für sich selbst entwickelt. Wenn man die Gründe für die Sucht erkennt.
Quelle: Gearhardt AN, Bueno NB, DiFeliceantonio AG, Roberto CA, Jiménez-Murcia S, Fernandez-Aranda F. Social, clinical, and policy implications of ultra-processed food addiction. BMJ. 2023;383:e075354.
Über die Autorin:
"Dr. Kristina Jacoby arbeitet seit 2014 Dr. U. Strunz bei der Erstellung seiner Bücher zu. Besonders fasziniert ist sie von den physiologischen Abläufen im Organismus sowie den Möglichkeiten diese mit Lebensstilveränderungen positiv zu beeinflussen.
Physiologie und Genetik waren ihre Schwerpunkte in ihrem Biologie-Studium, welches sie 2002 abschloss. Von 2004 bis 2010 studierte und promovierte sie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seit 2008 beschäftigt sie sich intensiv mit Meditation und praktiziert täglich.
Das sagt sie selbst zu Ihrer Tätigkeit:
„Jede Krankheit basiert auf Schieflagen im Organismus, die man aufspüren und verändern kann. Davon bin ich überzeugt. Mittlerweile gibt es etliche wissenschaftliche Veröffentlichungen, die das bestätigen. Leider ist das Wissen noch nicht in den Arztpraxen angekommen. Daher möchte ich dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen von diesen Möglichkeiten der Heilung erfahren und in die Lage versetzt werden, sie umzusetzen.“"