In Deutschland werden jährlich mehr als 13 Millionen Menschen mit Magensäureblockern behandelt. Die meisten sind mittlerweile auch rezeptfrei erhältlich. Der Magen drückt, die Speiseröhre brennt und der Griff zu diesen Medikamenten gehört für viele zum Lifestyle. Mit Cimetedin kam 1976 das erste Medikament auf den Markt, dass die Histamin-Rezeptoren im Magen blockiert (H2-Rezeptor-Antagonist) und somit indirekt die Magensäureproduktion hemmt.

In den 1980er Jahren kamen dann die so genannten Protonenpumpenhemmer (PPI). Omeprazol war der erste, gefolgt von Lansoprazol, Pantoprazol, Rabeprazol und Esomeprazol. Die Protononenpumpen, auch H+/K+-ATPasen genannt, sitzen in den Belegzellen der Magenschleimhaut. Ohne sie kann keine Magensäure produziert werden. Medikamente, wie Omeprazol, blockieren diese Pumpen und wirken daher schnell und zuverlässig.

Keine Frage, H2-Rezeptor-Antagonisten und PPI sind ein Segen bei Erkrankungen, wie schwerer Gastritis und Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Bei dauerhafter Einnahme haben sie jedoch erhebliche Nebenwirkungen, wie


  • Vitamin B12- und Mineralienmangel
  • Nierenschäden
  • Osteoporose
  • Verdauungsprobleme, insbesondere durch Einschränkung der Bauchspeicheldrüsenfunktion

Kaum einer erinnert sich noch an die Zeit, als es noch keine Säureblocker gab. Doch auch vor der Einführung dieser Medikamente gab es bereits wirkungsvolle Heilmittel für diese Erkrankungen, eines davon war Vitamin U.

In den 1950er Jahren suchte der amerikanische Arzt Dr. Garnett Cheney ein Heilmittel für Magen- und Dünndarmgeschwüre. Im Tierversuch mit Meerschweinchen stellte er fest, dass diese sehr schnell gesundeten, wenn sie Weißkohlsaft zu trinken bekamen. Alsbald gab er auch seinen magenkranken Patienten täglich einen Viertel Liter frisch gepressten Weißkohlsaft zu trinken.

Dr. Cheney ging davon aus, dass sich in dem Kohlsaft eine besonders heilende Substanz befinden musste, die er – vorläufig - als “Vitamin U” (“ulcer” im Englischen bedeutet Ulkus, also Geschwür) bezeichnete. Erst später konnte geklärt werden, dass es sich hierbei um L-Methionin handelt. Diese essentielle schwefelhaltige Aminosäure ist für den Körper unverzichtbar; hier ein kleiner Auszug auf dem Wirkspektrum von Methionin:


  • Proteinsynthese: Es dient als Startaminosäure bei der Translation der DNA und ist somit die erste Aminosäure in allen entstehenden Proteinen lebender Zellen.
  • Methylgruppen-Synthese: Methionin ist ein wichtiger Lieferant von Methylgruppen (-CH3) für verschiedene Stoffwechselprozesse, wie für die Biosynthese von Cholin, Melatonin, Kreatin, Adrenalin, Carnitin, Taurin und Glutathion und nicht zuletzt für die DNA-Methylierung.
  • Harnansäuerung: Methionin hat die Eigenschaft, den Harn anzusäuern. Dies kann das Wachstum von Bakterien, wie E. coli, hemmen und bei Harnwegsinfektionen helfen.
  • Abbau von Histamin: Methionin wird für den Abbau von Histamin benötigt und kann dadurch Schleimhäute schützen und Entzündungsprozesse stoppen.

Daher konnte Dr. Cheney seinen Patienten mit dem methioninhaltigen Kohlsaft so gut helfen. Er hätte auch Brokkoli oder Selleriesaft verabreichen können. Oder auch Eigelb, Fleisch und Fisch. Hochdosiert selbstverständlich, in Form von Saft. Heutzutage haben wir es etwas einfacher, denn Vitamin U, alias Methionin, steht uns bequem in Tablettenform zur Verfügung.


Quellen:
CHENEY G. Vitamin U therapy of peptic ulcer. Calif Med. 1952 Oct;77(4):248-52. PMID: 13009468; PMCID: PMC1521464.

https://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,799694,00.html

Song JH, Lee HR, Shim SM. Determination of S-methyl-L-methionine (SMM) from Brassicaceae Family Vegetables and Characterization of the Intestinal Transport of SMM by Caco-2 Cells. J Food Sci. 2017 Jan;82(1):36-43. doi: 10.1111/1750-3841.13556. Epub 2016 Nov 24. PMID: 27883364.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.