Weshalb Bewegung?
Tagtäglich überraschen Sie mich. Tagtäglich freue ich mich, wenn Sie mir berichten über Ihr unerwartetes Wohlbefinden nach ein paar schlichten Vitaminen, simplen Aminosäuren. Primitivbausteine jedes Lebewesens.
Kurz nachgedacht? Primitivbausteine? Hat meine Schulmedizin bis heute noch nicht verstanden … Ausnahme vielleicht Intensivmediziner.
Was mich an Ihren Briefen so besonders freut, sind die kleinen Randbemerkungen. Meist am Schluss. So etwa: „… und übrigens: Ich jogge jetzt täglich 60 Minuten“. Oder: „… täglich 10 km“. Dabei hatte ich mit Ihnen über Bewegung überhaupt nicht gesprochen.
Wir sind eben doch in der Regel kluge Köpfchen. Wir alle. Und ahnen die Wahrheit. Haben das Wörtchen „Bewegung“ da hinten im Oberstübchen versteckt… jeder Zeit parat. In der Regel natürlich mit schlechtem Gewissen. Weil wir – NOCH – nicht täglich laufen.
Dahinter steht ein Gesetz. Das Gesetz der Evolution.
Das Nadelöhr zu jeder Heilung heißt: Bewegung. Tägliche Bewegung. Als ich begonnen habe, dieses sehr einfache Rezept jedem (!) Patienten zu verkünden, hat man den Kopf geschüttelt. Jeder stolze Sportwissenschaftler hat selbstverständlich gewusst, dass zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche völlig ausreichen. Nun: Heute proklamiert selbst das amerikanische Gesundheitsministerium, dass Bewegung täglich stattfinden sollte. Jeden Tag.
Man weiß mittlerweile auch, warum das so ist. Grund ist der Genschalter mRNA. Der stellt sich durch Bewegung um auf »gesund«. Was dann passiert? Zellen für das Immunsystem bilden sich häufiger, bilden sich schneller. Und die Enzyme, die hinter Entzündungsreaktionen stehen, die werden weniger.
Bewegung wirkt also an der Basis, direkt an Ihren Genen. Und dabei ist es ganz gleichgültig, ob Sie gegen Ihren Krebs kämpfen oder ob Sie seltener Schnupfen haben wollen. Bewegung in der richtigen Dosis … stellt den Schalter um. Heilt.
Und wo passiert das alles? In Ihrem Oberschenkel, in Ihrem Bizeps, in Ihrem Rücken. Muskeln spielen die Hauptrolle für ein starkes Immunsystem. Wir haben dieses Organ gründlich unterschätzt. Tun das heute noch.
Dabei wissen wir heute genau, dass der Muskel nicht dummes Gewebe, sondern ein sehr aktiver Hormonproduzent ist: Interleukin-6 und Interleukin-15 heißen die Botenstoffe, die der bewegte Muskel massiv ansteigen lässt. Botenstoffe, die den Fettabbau stimulieren – was schön macht.
Was vor allem aber gesund macht: Interleukin-6 trägt Botschaften von einer Immunzelle zur nächsten. Ohne diesen Kurier keine Reaktion Ihres Immunsystems. Kein erfolgreicher Kampf gegen Eindringlinge wie Bakterien, Viren, Krebszellen.
Muskeln schützen vor Bluthochdruck, Zucker- und Herzkrankheit, also den drei Rachegeistern des Wohlstands. Schützen aber auch vor Brust- und Darmkrebs. Vor Osteoporose, vor Depression, vor Demenz und Alzheimer.
Bewegung also. Genauer: Der bewegte Muskel. Sollte man kurz erläutern:
Da, wo bei Ihnen die Wade ist,
haben manche Menschen Muskeln. Schon verstanden?
Deshalb ist meine kluge Frau zur Bergläuferin geworden. Und deshalb sollten Sie den täglichen mühsamen Hügel-Anstieg nicht etwa scheuen, sondern sich darauf freuen.
Muskeln. Der bewegte Muskel. Das Urgeheimnis von Gesundheit genauso wie von Lebensglück.