Wozu Religion?
Frägt Prof. L. Tiger (72 J.), Anthropologe an einer der besten Universitäten Amerikas in New Jersey. Und gibt uns in seinem schlanken Büchlein "God's brain" eine elegante Erklärung.
Alle 4.200 verschiedenen Religionen dieser Welt verbindet, so meint er, drei Dinge: Der Glaube, die Gemeinschaft und das Ritual. Diese drei nun lösen im Gehirn neurologische Effekte aus, die sich messen lassen. Menschen nämlich, die regelmäßig religiöse Rituale vollziehen (Rosenkranzbeten, gregorianische Gesänge,
Wallfahrten ...)
regen ihren Körper dazu an, im Hirn mehr Serotonin zu produzieren.
Serotonin kennen wir. Dieses Hormon macht den Menschen zufrieden und heiter. Je höher der Serotoninspiegel im Gehirn, desto glücklicher fühlen wir uns. Genau diesen Effekt machen sich praktisch alle bekannten Antidepressiva (Tabletten) zu nutze. Deshalb meint Prof. Tiger:
"Kirchen, Tempel, Moscheen sind im Grunde Serotonin-Fabriken".
Ungewöhnlich klare Worte. Die auch in mein Denken Ordnung bringen: Religion mache zufrieden und heiter. Genau mit diesem Ziel vor Augen haben die Menschen 4.200 verschiedene Religionen geschaffen.
Verständlich wird diese praktische Erklärung von Religion erst vor dem Hintergrund, der momentanen heftigen wissenschaftliche Gegenbewegung. Angeführt von Richard Dawkins, dem Biologen und Religionsbekämpfer, der in seinem Buch "Der Gotteswahn" vom gedanklichen Virus spricht, der in den Köpfen der Menschen Unheil anrichtet. Noch prägnanter nachzulesen bei Christopher Hitchens in seinem Buch "Gott ist nicht groß. Wie Religion alles vergiftet".
Ein empathischer Mensch kann sich hier einfühlen. Und versteht, was diese Kritik eigentlich soll: Gemeint ist gar nicht Religion. Gemeint ist die Verwaltung der Religion, nämlich die Kirchen. Menschenwerk. Wenn die Verwalter der einen gegen die Verwalter der anderen Religion um Macht kämpfen ... kommt es und kam es zu den bekannten Kriegen.
Dabei weiß doch jeder Mensch in seinem Herzen um die Sehnsucht. Um die Suche nach dem Weg. Um die Suche nach Verstehen, nach Verständnis für das Schlimme und Böse in der Welt. Um das Warum.
Prof. Tiger zeigt in seinem Büchlein, dass Religion eine der besten und wirksamsten Methoden ist, brainsoothing zu betreiben. Wer glaubt und betet, wer singt und beichtet, beruhige das Gehirn.
So schließt sich der Kreis: Serotonin. Zufrieden und heiter. Hintergrund und Ziel jeder Religion. Laut Prof. Dr. Tiger.